WDR 3, 26. November 2016

Fehlbesetzung am falschen Ort

Die Jahre von Clara und Robert Schumann in Düsseldorf – Feature-Premiere

Seit 2008 erscheint eine neue, auf 50 Bände angelegte Gesamtausgabe der Briefe von Clara und Robert Schumann. Sie erweitert bzw. erneuert unter anderem die Kenntnisse zu den Düsseldorfer Jahren des Künstlerehepaares. Eva Weissweiler, Clara-Schumann-Biographin und Mitherausgeberin des frühen Briefwechsels zwischen Robert und Clara bis 1839, konzentriert sich in dieser klangschönen Feature-Produktion auf eben diese, die rheinische Zeit der Familie Schumann von 1850 bis 1854.

Es ist Ferdinand Hiller, städtischer Musikdirektor in Düsseldorf, der Ende 1849, weil er nach Köln wechselt, Robert Schumann als seinen Nachfolger vorschlägt. Die Entscheidung für Düsseldorf wird von Clara maßgeblich befürwortet. Nach ihrer Ankunft Anfang September 1850 findet Clara die Stadt unkomfortabel und trostlos. Es ist schwer, eine geeignete Wohnung zu finden. In dreieinhalb Jahren zieht die Familie viermal um. 
Beim ersten gemeinsamen Konzert am 24. Oktober wird die Solistin Clara gefeiert, der Dirigent Robert aber genauso wie die von ihm unter anderem aufgeführte Eigenkomposition kritisiert. Grundsätzlich hat Schumann in Düsseldorf mit einem Klangkörper, in dem teilweise Amateure sitzen, wenig Zeit zum Proben und damit nur geringe Chancen auf gelungene Aufführungen.

Der neue Musikdirektor hat Schwierigkeiten mit seinem Umfeld, nicht zuletzt, weil er leise spricht und sächselt. Nach dem Zeugnis eines die älteste Tochter des Künstlerpaares behandelnden Arztes lebt die Familie Schumann „sehr still und abgeschlossen“. Der Konzertmeister Wasielewski findet, Robert fehle die Kraft für seinen Direktorialposten, er sei zu schnell erschöpft. Wie der Forscher Michael Heinemann in der Sendung sagt, behinderte Schumann beim Dirigieren auch seine Kurzsichtigkeit. Es dauert nicht lange, bis Clara und Robert darüber nachdenken, Düsseldorf wieder zu verlassen.
1852 erleidet Schumann eine Krankheit, die aus den Quellen nicht recht identifiziert werden kann, laut Tagebucheintragung des Komponisten ein „schlimmer Anfall“. Weil er Zeit für seine Genesung benötigt, kann er seinen Dienstverpflichtungen nicht nachkommen.
Schließlich will er den Chor nicht mehr dirigieren. Das führt zu Unmut im Musikverein und Spott über die mangelnde (rheinische) Integration der Schumanns – obwohl sich der Neu-Rheinländer darum bemühte.
Wasielewski schreibt von seltsamem Verhalten („Tischrücken“) Roberts. Dessen Umfeld hält ihn für geisteskrank. 1853 lernt er zwei junge Kollegen kennen: den Geiger Joseph Joachim und dessen Freund, den Pianisten und Komponisten Johannes Brahms, den er hymnisch begrüßt. In dieser Zeit schreibt Schumann kaum eigene Werke.

Ende Oktober 1853 wird ein Konzert unter Roberts Leitung – sein letztes Dirigat – als unakzeptabel aufgenommen und ihm wird mitgeteilt, er solle nur noch seine eigenen Werke dirigieren. Clara ist empört, und Robert kündigt seinen Vertrag. Anfang 1854 treten bei ihm Leiden auf, über deren Ursachen bei den für die Sendung befragten Forschern Uneinigkeit besteht. Für die überlieferte Legende, dass Robert Schumann in Selbstmordabsicht in den Rhein gesprungen sei, gibt es laut Uwe Henrik Peters keine auffindbaren Belege. Briefe-Mitherausgeber Michael Heinemann vermutet, er könnte verwirrt ins Wasser gefallen sein, weil er an jenem sehr kalten 27. Februar 1854 am Ufer ausrutschte. 

Gut zwei Jahre verbringt Robert in der privaten psychiatrischen Heilanstalt in Bonn-Endenich, wo er am 29. Juli 1856 stirbt.

Zur Produktion: Hintergrund-Musik – natürlich hauptsächlich von Schumann –, Stadtatmosphäre mit fahrenden Kutschen, Leierkasten, Stimmen; allgemein Atmo des Erzählten: „Hörbild“ wird eine solche Art der Produktion gern genannt, im Grunde wäre auch die Bezeichnung „Hörspiel“ gerechtfertigt. Eine akustisch gelungene Produktion, die mit Martina Gedeck als Clara Schumann eine Schauspielerin aufbietet, die die Komponisten-Ehefrau und gefeierte Pianistin auch schon auf der Leinwand verkörpert hat. Forschungskontroversen werden in der Sendung nicht ausgelassen, stehen aber nicht im Vordergrund.

Zur Sendungsseite mit zwei Fassungen des Audios zum befristeten Download und mit dem Manuskript, dem die Zitate in diesem Text entnommen sind.

Robert Schumann in Düsseldorf

Warum der Sachse im Rheinland scheitern musste

Von Eva Weissweiler
Im O-Ton: Uwe Henrik Peters (Psychiater, Neurologe, Schumannforscher), Thomas Synofzik und Michael Heinemann (Mitherausgeber der neuen Schumann-Briefausgabe)
Sprecher: Kornelia Boje (Erzählerin), Martina Gedeck (Clara Schumann), Jens Harzer (Robert Schumann), Leonie Renée Klein, Martin Bross, Gerrit Jansen, Henning Freiberg, Reinhard Becker
Regie: Claudia Johanna Leist
WDR 2016

WDR 3, Reihe: Kulturfeature
26. November 2016, 12.05 Uhr, 55 min.